Naturkontakte: Wo sind die Blumen?

Auf den Äckern im Münsterland? Oder auf den Viehweiden am Niederrhein? Heute kaum noch! Dafür aber mitten im „Pott“: in Meiderich, in Bottrop, in Wanne-Eickel, in und „auf“ Schalke oder in Dorstfeld und Sterkrade. Und dann auch noch zwischen Stoppschild, Ampel und Straßenbahngleisen. Dort blüht es das ganze Jahr über. Es fängt mit gelben Osterglocken an, wird mit Wiesenschaumkraut pinkfarben im April und blüht jetzt im Sommer gelb, blau und weiß – als wenn die Blütenfarben das Ruhrpottderby Schalke-Borussia begleiten wollten. Nur die Fans sind andere: Bienen summen, Schmetterlinge flattern, Schwebfliegen stehen in der Luft.

Unkräuter ohne “DIN-Norm”

Zum überwiegenden Teil sind es die „Unkräuter“, die uns diese bunte Pracht bescheren und unseren Honigbienen die Nektar-Tankstelle befüllen. Die bunten Blumen, die so herrlich chaotisch, unaufgeräumt und wild aussehen, haben im normierten Deutschland natürlich gleich zwei offizielle Namen: „Straßen-begleit-grün“ oder etwas spezieller „Verkehrs-abstands-grün“. Hört sich nach DIN-Norm an, hat aber keine DIN-Norm. Gott sei Dank – denn dieses Grün ist  überwiegend wirklich wild. Wir nehmen dabei in der Regel kaum Notiz von dem, was am Rand oder in der Mitte einer Straße so alles wächst und blüht, denn die Vielfalt liegt im Detail. Und wer nimmt sich im Alltagsgeschäft schon die Zeit für´s Detail?

Hin und wieder findet man auch ganz eindeutig Exotisches am Straßenrand. Die vom feuchten Wetter gezeichnete Yuccapalme steht am Westring in Bottrop und erfreut im Juli die Verkehrsteilnehmer mit ihrer Blütenpracht. Weniger exotisch aber auch nicht alltäglich sind die Rosen, die nicht allzu weit von der Palme am Südring in Bottrop die Laternen zieren. Die Grenzen zwischen gepflegtem und wildem Grün sind fließend. Ein Beispiel ist das Gänseblümchen auf dem Rasenstreifen zwischen den Fahrbahnen. Auch der Lavendel, der auf den hier gezeigten Bildern aus Oberhausen-Sterkrade angepflanzt war, breitet sich an anderen Stellen selbständig aus. Im Gegensatz zu dem gewollten Lavendel am Straßenrand ist das Veilchen auf dem Gehweg nicht erwünscht gewesen und war wenige Tage nach dem Foto auch bereits entfernt worden. Mit dem Veilchen verschwand auch ein in unmittelbarer Nähe stehender Löwenzahn. Tja, der Mensch ist schon ein erstaunliches Wesen: Hätte das Veilchen 1,99 € gekostet und wäre ihm ein „ordentlicher“ eigener Platz im Plastik-Pflanztöpfchen zugewiesen worden – es würde heute noch blühen. Aber einfach so zum Null-Tarif, ganz ohne Pflanztöpfchen und dann noch über den Wuchsort selber entscheiden? No Go! So unverschämt benimmt sich nur wildes Unkraut – also weg mit dem Unkrautveilchen.

Klamme Kasse macht Biene satt

Der rote Mohn, der Kalifornische Mohn sowie die Anemonen strahlen Lebensfreude aus und machen unsere Städte (er-)lebbarer, bunter, schöner. Dennoch: Sie sind auch das Ergebnis der klammen städtischen Kassen. Aufgrund des Sparzwangs unserer Städte reichen die Gelder für die Pflege kleiner Verkehrsinseln, Straßenräder, Gleisanlagen & Co nicht mehr aus. So besann man sich zum Beispiel in der Stadt Bottrop auf Wildblumenwiesen als Alternative zur permanenten Pflege. Denn  Wildblumenwiesen bedürfen im Laufe des Jahres nahezu keiner Pflege und müssen auch nicht jedes Jahr neu ausgesät werden. Auch wenn es „nur“ dem Sparzwang einzelner Kommunen geschuldet sein mag: Das Ergebnis ist für die Lebensqualität im Ruhrgebiet ganz klasse. Statt langweiligem Grün auf Rasenflächen, die sowieso niemand zum Sonnenbaden oder Fußballspielen nutzen kann, tummeln sich bunte Blumen an A42, B224 und Rhein-Herne-Kanal.

Wir werden mit Kamera und Notizblock an diesem Thema dran bleiben. Und bei viel positiver Resonanz in Wort, Bild und Film wird es vielleicht irgendwann einmal nicht mehr eines Sparzwangs infolge klammer Kassen bedürfen, um einer Verkehrsinsel und damit den Menschen, Bienen und Schmetterlingen eine bunte, sommerlich duftende Wildblumenwiese zu gönnen.

Fotos: Alexander Krebs, Thomas Mandrysch, Peter Schütz

Text: Thomas Mandrysch und Peter Schütz

Lektorat: Anna Thelen

© Wildes Ruhrgebiet