Naturkontakte – Fassadenkletterer

Die Hausfassade hat ein Loch und ein Eichhörnchen guckt ´raus – wie geht das denn?
Ganz einfach: Moderne Häuser sind heute an ihren Außenseiten Wärme gedämmt. Aus Kostengründen meist nur mit „preiswerten“ Styropor-Platten. Auf der Außenseite dieser Platten wird in aller Regel ein dünner, rauer Putz aufgetragen. Der ist zwar sehr gut gegen Regen, Schnee und Wind gedämmt, aber er eignet sich auch sehr gut für die spitzen Fingerchen von Eichhörnchen. Für sie ist es die perfekte Kletterwand.
Aber wie kommt in diese „Kletterwand“ eine Höhle? Dazu braucht das Eichhörnchen einen Vorarbeiter, der die Höhle vorbereitet. Und diesen Kumpel gibt es in unseren Städten überall dort, wo eine Parkanlage, ein Friedhof oder ein kleiner Wald nicht weit weg ist: den Buntspecht. Denn die raue Kletterwand eignet sich nicht nur bestens für die spitzen Nägel der Eichhörnchenfinger sondern auch für die Krallen des Buntspechts. Durch Probe-Hämmern erkennt der Buntspecht schnell: Hinter dem harten Rauputz klingt es relativ hohl. Klar, Styropor (genauer: Hartschaum vom Typ Polystyrol oder Polyurethan) hat keine hohe Dichte und klingt irgendwie „hohl“. Und an was „denkt“ ein Buntspecht, wenn es hohl klingt? Klar, an morsches Holz! Genau das Material, in das man als Buntspecht seine Bruthöhlen zimmert. Der dünne Rauputz ist mit dem starken, spitzen Spechtschnabel ruck-zuck durchgehämmert und der Rest ist im weichen Styropor nur noch ein Kinderspiel.
Und nun passiert das, was an alten Bäumen auch passiert: Sind die Spechte mit Ihrer Brut fertig, kann eine ganze Reihe von Nachmietern die alte Spechthöhle beziehen: An Hausfassaden eben auch Eichhörnchen.
Hat man einen Specht am bzw. „im“ Haus, ist das übrigens keine Katastrophe, das Haus bricht weder zusammen noch verringert sich messbar die Wärmeisolation, denn die Fläche, die die Spechthöhle einnimmt, wäre dafür viel zu klein. In der Regel legen die Spechte ganz im eigenen Interesse eine solche Höhle auch so an, dass kein Regenwasser hineinläuft – seine Brut soll ja schließlich nicht ersaufen. Trotzdem muss man als Hausbesitzer eine solche Mauerhöhle im Blick haben. Denn ist der Putz außen erst einmal beschädigt, kann die Stelle in den Folgejahren größer werden, bis dann am Ende doch Wasser bis zum Mauerwerk eindringt oder eine „Wärmebrücke“ entsteht. Im Blick haben muss man in diesem Fall auch die mögliche Kondenswasser-Bildung innen im Haus, etwa an der Stelle, an der sich außen das Spechtloch befindet. Wie gesagt: Ein solcher Fall kann eintreten – muss aber nicht. Tritt ein solcher Fall ein, dann sollte man zunächst nicht zur „do-it-your-self“-Methode greifen und das Loch einfach zuschmieren lassen, sondern die Untere Naturschutzbehörde seiner Stadt kontaktieren. Denn Brutstätten heimischer Vögel (Spechte) und Säugetiere (Eichhörnchen) stehen per se unter Schutz (Bundesnaturschutzgesetz und entsprechende europäische Richtlinien). Aber keine Angst: Damit muss man ein solches Fassadenloch nicht automatisch dauerhaft tolerieren, denn rein rechtlich gesehen ist es ja nun mal ein „Gebäudeschaden“. Aber es gibt dennoch ein paar Dinge zu beachten. Einer der wichtigsten Punkte ist natürlich der Zeitpunkt für die Loch-Beseitigung: Bitte Finger weg während der Kinderstuben-Zeit von Specht, Eichhörnchen & Co. Dazu berät im Zweifel dann die Untere Naturschutzbehörde.
Weitere Infos dazu gibt es z.B. vom Naturschutzbund Deutschland:
>> Kostenlose 20-seitige LBV-Broschüre “Wer klopft denn da? – Spechte als Fassadenhacker”<<
Es gibt übrigens schon beim Bau eines Hauses einen ganz einfachen Trick, um dem „Zimmermann“ und all seinen Nachmietern die Tour zu vermasseln: Außen keinen Rauputz verwenden, sondern möglichst glatten Putz. Dann können Krallen und Nägelchen erst gar keinen Halt finden und aus der Zimmermannaktion wird nichts.
Zu guter Letzt ein Beispiel für einen sehr kreativen Umgang mit einem Spechtloch in der Hausfassade: Ein Hausbesitzer in Essen schmierte das Spechtloch in seiner Fassade mit Isolierschaum wieder zu. Natürlich nach (!) der Brutzeit. Und wie verhinderte er, dass der Specht dort im nächsten Frühjahr wieder herumhackt? Ganz einfach: Vor dem zugeschmierten Loch brachte er einen Nistkasten an – und zwar einen im Handel erhältlichen Kasten für Spechte. Zwei Effekte traten ein: Die Hauswand sah nicht geflickt aus und der Specht lies von der Fassade ab. Denn er hatte ja nun sein Haus.
Text und Fotos: © Wildes Ruhrgebiet – Peter Schütz, Aaliyah Sena Ceylan
Lektorat: Volker Kienast