Aus Europas Grüner Hauptstadt 2017: Der Schlosspark in Borbeck

Fledermäuse huschen über Teiche und fangen Mücken, Waldkäuze rufen nachts aus alten Buchen, Spechte lassen ihre Trommelwirbel erklingen, Füchse ziehen hier ihre Jungen auf. Und in circa eineinhalb Monaten geht es wieder los: Hunderte von Fröschen und Kröten wandern zur Froschhochzeit in die Teiche. Die Rede ist hier nicht etwa von einem Nationalpark… es sind die Teiche und Wälder eines Stadtparks!

Und es ist ein ganz besonderer Stadtpark: Uralt ist er und mitten im westlichen Ruhrgebiet gelegen, im Essener Stadtteil Borbeck. Hochzeit feiern hier übrigens nicht nur die Frösche. Auch bei Menschen ist der Park ein begehrter Ort für´s Ja-Wort. Denn das Zentrum des heute 42 Hektar großen und im englisch-chinesischen Stil gestalteten Parks bildet das aus dem 14. Jahrhundert stammende, barocke Wasserschloss Borbeck. Es geht auf den Damenstift Bort(h)beki zurück, der erstmals 869 n. Chr. erwähnt wurde. Über die Jahrhunderte wandelte sich das alte Anwesen von einer hochherrschaftlichen Residenz der Essener Fürstäbtissinnen zu einem heute öffentlich zugänglichen Kulturzentrum mit Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen, einer Open-Air-Bühne („Amphittheater“), einer Musikschule („Notenkiste“) und einem Standesamt. Das Standesamt ist so nachgefragt, dass exklusive Termine wie der 1. Mai lange im Voraus ausgebucht sind.

Das barocke Wasserschloss Borbeck ist ein kulturelles Highlight. Der Park drum herum ist das naturkundliche Pendant dazu. Er ist eines der Natur-Highlights für die Ruhrgebietsstadt Essen, die in diesem Jahr den Titel „Grüne Hauptstadt Europas –Essen 2017“ tragen darf. Das passt. Denn einerseits gibt es im Schlosspark die historischen Zierteiche. Dort tummelt sich vom Trauerschwan über Stockenten bis hin zur Warzenente vieles, was unter Ziervögeln Rang und Namen hat. Andererseits gibt es ungezähmte Natur: die Quellen des Flüsschens Borbecke, eine nasse Talsohle mit Bachlauf, Feuchtwiese, Schilf- und Rohrkolben-Röhricht an einem flachen, recht naturnahen Teich sowie große Bestände von Grasfröschen und Erdkröten. Damit ist der Schlosspark Borbeck eine regelrechte Wasser-Oase im sonst relativ dicht bebauten Stadtgebiet.

Als ob das nicht schon genug wäre, ist diese Wasser-Oase in einen Buchenwald eingebettet. Und der kann sich sehen lassen: Fast 30 Meter hoch recken sich hier die alten Buchen in den Himmel. Ilex und Eiben bilden einen teils dichten Unterwuchs. Die Stürme Kyrill und Ela warfen einige Lichtungen in den vormals dichten Bestand. Diese sind zurzeit die Kinderstube des Waldes, denn auf ihnen „schießen“ jetzt junge Eschen und Buchen empor. In dieser abwechslungsreichen Waldlandschaft tummelt sich ein erstaunlicher Mix aus Stadt- und Waldvögeln. Auf engem Raum leben hier Waldkauz und Kohlmeise, Waldlaubsänger und Rotkehlchen, Hohltaube und Ringeltaube nebeneinander. An den abgestorbenen Ästen und einigen sehr alten Bäumen leben Baumläufer, Kleiber, Buntspecht, Zwergfledermaus und der „kleine Hirschkäfer“ – Balkenschröter genannt. Und in guten Maikäferjahren brummt es im Park und in den benachbarten Hausgärten recht ordentlich. Denn dann heißt es: „Maikäfer flieg´“.

Der Schlosspark Borbeck ist also für Tiere, Pflanzen und Besucher eine grüne Oase mitten in der Stadt. Aufgrund der über einen langen Zeitraum „kulturhistorisch“ gewachsenen Stadt-Natur im Park ist Schloss Borbeck heute zudem ein besonderer Haltepunkt der Essener Straßenbahnlinie „Naturlinie 105“ und einer der wirklich „natur-grünen“ Bausteine der „Grünen Hauptstadt Europas“.

 

Bilder: Ralf Hüsges, Alexander Krebs, Dr. Daniel Segelcke, Peter Schütz

Text: Peter Schütz

Lektorat: Anna Thelen